Ruta del Cares: Wander-Highlight in den Picos de Europa (2024)

Garganta Divina, die göttliche Schlucht. Diesen verheißungsvollen Beinamen trägt die Cares-Schlucht in den Picos de Europa. Durch sie führt ein 12 km langer Wanderweg, der die beiden Ortschaften Poncebos auf asturischer Seite und Caín in der Provinz León miteinander verbindet. Ganz klar: Dieses Touren-Highlight konnte und wollte ich mir nicht entgehen lassen. Da unser kleiner Wirbelwind seit dem Krabbelalter sämtliche Wandertauglichkeit abgelegt hat, war ich froh, dass mir meine Lieben einen freien Tag für diese Wanderung gewährt haben – gracias!

Einigermaßen zeitig packte ich meinen Tagesrucksack mit meinem Kamera-Equipment, etwas Proviant, viel Wasser und noch mehr Muffensausen. Seit Lottas Geburt hatte ich keinen Sport mehr getrieben, wenn man von dem bisschen Rückbildung mal absieht, und nun wollte ich gleich mal eben 24 km wandern. Mit 6 bis 8 Stunden Gehzeit sollte ich rechnen. Ich musste verrückt geworden sein!

Jan fuhr mich von Arenas de Cabrales hinauf zum Startpunkt der Wanderung. Schon die viertelstündige Anfahrt war überwältigend! Die Straße nach Poncebos folgt dem Río Cares, der Anfang September recht gemächlich vor sich hin plätscherte. Rechts und links ragten steile Felswände auf, und vor uns erhoben sich die schroffen Zackengipfel der Picos de Europa – imposant!
Mein Muffensausen wich einer erwartungsvollen Aufregung, die sich durch die lange Schlange der am Straßenrand geparkten Autos der Wanderer noch verstärkte. Am Ende der blechernen Schlange setzte Jan mich ab – nun gab es kein Zurück mehr.

Auf den ersten Metern ist die Schlucht selbst gar nicht sonderlich spektakulär, dafür schweifte mein Blick immer wieder hinauf zu verschiedenen Felsformationen und den Kalkstein-Gipfeln, deren zackiges Profil sich vor dem sonnenhellen Himmel abzeichnete.

Wenig später weitete sich dann aber das Tal und eröffnete mir erste atemberaubende Ausblicke in die lange Schlucht, die der Cares durch die Picos de Europa gegraben hat.

Die ersten 2,5 Kilometer der Ruta del Cares waren die anstrengendsten der gesamten Tour, denn der schmale, steinige Weg stieg fast permanent an. Die etwa 250 Höhenmeter brachten mich gewaltig ins Schwitzen, auch weil die Sonne die ganze Zeit über unbarmherzig auf mich herab schien. Beim Durchwandern einer Schlucht denkt man ja unweigerlich an Schatten und eine feuchte Kühle. Die Ruta del Cares führt allerdings nicht am Flussufer entlang, sondern der Weg verläuft irgendwo auf halber Höhe der Schlucht. Sonnencreme und Sonnenhut sind bei dieser Wanderung essentiell!

Der weitere Weg war relativ eben und leicht begehbar. Ich konnte entspannt wandern und dabei unzählige, herrliche Ausblicke genießen. Hier und da passierte ich ein paar Ziegen, die mich neugierig beäugten, zerfallene Steinhütten, die wahrscheinlich mal von Hirten bewohnt wurden, sowie unterschiedlichste Felsformationen, die Wind und Wetter geduldig geformt haben.


Falls ihr euch übrigens wundert, warum jemand sich die Mühe gemacht hat, den Wanderern einen so feudalen Weg in diese Schlucht zu zimmern, dann kommt hier die Erklärung: Durch das Cares-Tal verläuft ein künstlich angelegter Wasserkanal, ähnlich den Waalen in den Alpen oder den Levadas auf Madeira. Der Kanal dient allerdings nicht der Landwirtschaft, sondern führt dem E-Werk bei Poncebos Wasser zu. Der zugehörige Versorgungsweg wurde zwischen 1916 und 1921 von Steinmetzen in den Fels gehauen – eine Meisterleistung! – und zwischen 1945 und 1950 nochmals ausgebaut.

Im letzten Teilstück der Ruta del Cares verengt sich das Tal, blanke Felswände ragten steil über mir auf. Immer wieder führte der Weg durch in den Stein geschlagene Tunnel. Das Wechselspiel von Licht und Schatten stellte meine Augen so manches Mal auf die Probe, während Tropfwasser den steinigen Untergrund in eine wahre Rutschfalle verwandelte. Kurz vor Caín wechselte der Weg über die Puente Bolín das Flussufer, bevor ich wenige Minuten später über die Puente de los Rebecos wieder zurück auf die rechte Seite des Cares gelangte. Langsam aber sicher nähert sich der Weg dem Niveau des Río Cares an, bis sich die beiden in Caín schließlich treffen.



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Ein Blick auf meine Uhr ließ mich jubeln: Ich hatte die knappen 12 km bis Caín in 3 Stunden bewältigt, inklusive ausgiebiger Fotostopps, Erkundung der zerfallenen Steinhäuser und kleinerer Abstecher zu Aussichtspunkten. Ich war voll im Soll, auch ohne Training!

Zur Belohnung spazierte ich gemütlich durch die Kopfsteinpflastergassen des kleinen Bergdorfs. Kaum zu glauben eigentlich, dass Caín nur auf knapp über 500 m über dem Meeresspiegel liegt. Entsprechend imposant wirken die das Dorf umgebenen Gipfel, von denen mehrere um die 2.500 m hoch sind.

Gerne hätte ich es mir auf einer der Restaurant-Terrassen gemütlich gemacht, allerdings herrschte überall Hochkonjunktur durch Wanderer und Tagesgäste. Ich entschied mich daher für die einfache Brotzeit am Flussufer, was mir neben der gleichen tollen Aussicht noch erfrischend kühle Füße bescherte.


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Ich muss gestehen, dass ich im Allgemeinen Rundwanderungen lieber mag, in diesem Fall blieb mir allerdings nichts anderes übrig, als auf demselben Weg zurück nach Poncebos zu wandern. Warum? Die Alternative wäre die 100 km lange Straßenverbindung zwischen Caín und Poncebos gewesen, für die man gute 2,5 Stunden Fahrt einrechnen muss. Wohl eher nicht. Zum Glück hielt die andere Blickrichtung auf die Cares-Schlucht neue Perspektiven bereit, so dass mir der Rückweg auf derselben Route gar nichts ausgemacht hat.

Nach etwa 2,5 Stunden – erneut reichlich Fotostopps inbegriffen – hatte ich den Ausgangspunkt der Cares-Wanderung wieder erreicht. Ich war soooo stolz auf mich! Ein paar nette Spanier nahmen mich in ihrem Auto mit runter nach Arenas de Cabrales, wo Jan und Lotta mich schon erwarteten. Das ist der Vorteil einer so beliebten und gut frequentierten Wanderung: Man findet problemlos eine Mitfahrgelegenheit.

Die Cares-Schlucht ist atemberaubend schön, daher sollte man sich diese Genuss-Wanderung in den Picos de Europa auf gar keinen Fall entgehen lassen. Die Ruta del Cares kann so ziemlich von Jedermann gemeistert werden. Die Wanderung ist mit knapp 24 km zwar sehr lang, aber sie stellt keine besonderen technischen Ansprüche an den Wanderer. Mein Muffensausen im Vorfeld war jedenfalls mehr als nur unbegründet.


Die Ruta del Cares gehört zu den beliebtesten Wanderungen der Spanier. Um dem Massenansturm zu meiden, bieten sich daher Wochentage und die Nebensaison für die Tour an. Auch wenn reichlich andere Wanderer mit mir unterwegs waren, habe ich über weitere Strecken „meine Ruhe gehabt“ und konnte ungestört fotografieren.

Bei uns Deutschen sind die Picos de Europa (mir unverständlicher Weise) als Wandergebiet weitestgehend unbekannt. War jemand von euch schon dort? Hände hoch, wer ist die Ruta del Cares bereits gelaufen? Ich bin gespannt.

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